Wir alle leben in einem System. Denn wir wurden in eine Familie geboren. Diese wohnte an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Umgebung und hatte mit verschiedenen anderen „Bezugssystemen“ zu tun. Der Ort, die Umgebung bilden mit jedem ein System.
Nachhaltig geprägt wurden wir durch unsere ersten Kindheitsjahren, wie ich in den vorangegangenen Seiten schon oft erklärt habe, dort finden wir unseren Start, unsere Wünsche und unser Entwicklungspotential. Egal in welchem anderen System wir uns danach befinden und welche Rolle wir auch immer dort einnehmen, diese prägenden Erfahrungen verlassen uns nicht.
In anderen Zusammenhängen hört man dazu folgenden Satz, „Alle an den Umständen beteiligten haben sich zusammengefunden, um dass zu erleben, sich und die Situation zu entwickeln.“ Darin steckt viel Wahrheit. Ein wohlwollendes System, integriert und richtet sich immer wieder neu aus, so dass alle Beteiligten wachsen können. Es gibt aber auch Systeme und die sind nicht weniger Wohlwollend, diese Systeme verabschieden ihre Mitglieder in ein nachfolgendes System, um dort weiter zu lernen. Diese Art von System ist also spezialisiert. Das Wohlwollen liegt in dem frei lassen und verabschieden der Beteiligten, die in ein nachfolgendes System wechseln möchten oder eben müssen.
Virginia Satir beschreibt in ihrem Buch, „Wege zum Wachstum“ sehr eindrücklich, dass jeder Mensch in je anderen Bezügen andere Rollen ausübt. Die „Rollenhüte“, die Hüte, die wir uns bildlich gesprochen, aufsetzen. Der Hut einer Tochter- oder eines Sohns, Schwester, Bruder, Frau, Mann, Chef, weisungsgebundener Arbeitnehmer, Arzt, Heilungssuchender, Ratgeber, Rat suchender und noch viele andere Hüte ziehen wir uns im Laufe des Tages auf. In genauso viele Rollen schlüpfen wir.
Die Dynamik eines Systems ist die Suche nach einem Gleichgewicht, einem Mobile gleich. Die Mitglieder bewegen sich (ihr Einfluss, denn keiner ist ohne Einfluss!!) und das ganze System reagiert. Nun kommt es darauf an, wie flexibel ein System sein kann, wie weit oder eng der Rahmen, der Vorgaben sind. Systeme folgen Gesetzmäßigkeiten, die unbewusst oder bewusst von den Mitgliedern vereinbart wurden. Familien sind ein gutes Beispiel für ein System, wo die Vereinbarungen oft tradiert und unbewusst weitergegeben und oft auch recht unflexibel gehalten werden. Das liegt daran, dass in diesem System „Überlebensstrategien“ vererbt werden und dieses System sich oft sehr bedroht fühlt, wenn ein Mitglied „ausbricht“. So wird nämlich ein Wachstum eines Mitglieds empfunden, als Ausbrechen. Oft bringt ein solch starres System einen „Zeiger“ des Wachstumspotential oder der „Schieflage“ hervor. Das sind sehr häufig Kinder oder Menschen, die mit einer Krankheit reagieren. Sie scheinen die schwachen Stellen des Systems zu sein, sind aber die Entwickler desselben. Je bedrohter sich ein System fühlt, je unwilliger und langsamer entwickelt es sich. Für systemische Berater gilt es diesen Umstand im Blick zu halten und mit viel Feingefühl an der Entwicklung aller arbeiten zu lassen. Oft wird in Opfer und Täter aufgespalten. Es geht um Macht und Ohnmacht oder gesund gelöst, um Verantwortungsübernahme für sich selbst.
Ein anderes System, welches festgelegte Rahmenbedingungen hat, ist das eines beruflichen Systems. Da kommen die Vorgaben vom Arbeitgeber, der im besten Falle ein Konzept und eine daraus resultierende Arbeitsplatzbeschreibung vorgibt. Die Kunst ist es jetzt eine passende Besetzung für die gedachte Rolle zu finden. Doch auch hier muss sich ein System, hier spricht man von Team, finden. Das Riemann-Thomann-Modell kann hier sehr hilfreich sein. Es ermittelt die Teampersönlichkeit und deckt die Konflikte und das Entwicklungspotential auf.
Können und wollen alle am System beteiligten umsetzen, was der Chef vorgibt?
Oft hören sich die Sätze, die in einem solchen System fallen, folgendermaßen an, der macht immer, der macht nix, ich tu immer und so viel, der nicht. Dieser oder jener erfüllt nicht die Vorgaben oder hält sich nicht an die Absprachen.
manches Mal führt das zu einer Trennung, je nach Verhärtung der Mitglieder und des Systems. Was gesund sein kann. Zeigt sich aber eine hohe Fluktuation, taucht immer wieder das gleiche Thema mit unterschiedlichen Menschen und Konstellationen auf, lohnt sich ein Blick in die Tiefe? Wo ist das Ungleichgewicht wirklich? Wer deckt auf und macht sichtbar? Wer kompensiert hier, wen, oder was?
Ein Satz, den ich neulich gehört habe, war: „Wenn du nicht aufpasst und weiter so arbeitest, musst du aufpassen, dass du nicht in ein Burn-out rutschst!“ oder auch: „Du arbeitest zu schnell!“
Wer hat hier nun ein Problem und wie sieht die Lösung aus?
Fest steht, das Pensum, die Aufgaben und der Zeitrahmen. Es „menschelt“. Wer tut hier was, wer kompensiert, wer deckt auf?
Grundsätzlich entlarven sich hier zwei Gruppen und zeigen sich je eine Wahrheit auf. Die eine Gruppe, will ihre Vorgaben erfüllen, auch wenn die Bedingungen, Anforderung und Rahmenbedingungen zum Beispiel durch stetige Unterbesetzung oder mangelhafte Einrichtung und Ausrüstung, nicht optimal sind.
Die andere Gruppe hat erkannt, dass sie nicht leisten kann oder möchte, was die Anforderungen an sie stellt und verweigert sich und macht langsamer.
Anerkennung und Selbsterhalt ringen hier personifiziert miteinander.
„Mach du was mehr, dann kann ich weniger machen!?“
Wie stellt man hier ein Gleichgewicht her? Jeder für sich aber auch im Team?
Die Mitglieder sollten sich klar machen, was ist meine Rolle hier und was ist meine Aufgabe (Stellenbeschreibung) hier? Ich bin. Ich bin hier. Ich bin jetzt. Meine Rolle, meine Aufgabe, und zwar hier und jetzt. Jeder definiert und begrenzt sich damit. Eventuell folgt daraus, dass ein Mitglied sich an der falschen Stelle engagiert oder zu wenig. Hier kann dann die Lösung ansetzen. Durch Beschränkung, durch Fortbildung und oder Tätigkeitswechsel je nachdem. Beide Gruppierungen sind in der Verantwortung. Die Stelle des Konfliktes mach das Potential und die Verantwortlichkeit eines jeden einzelnen sichtbar. Jeder sollte für sich die Verantwortung übernehmen und für sich bilanzieren und die Stellschrauben, seines Handelns suchen und finden. Nicht einer allein ist für eine Gemeinschaft, für ein System zu ständig, sondern alle beteiligten. Alle sind zu sehen, zu hören und zu würdigen. Und jeder wird sich bewegen müssen, um ein gesundes Gleichgewicht zu schaffen. Gesund bedeutet in diesem Fall, dass alle Mitglieder ein gesundes Maß an Anstrengung finden.
In dem Buch „Familie. Die Kraft der positiven Bindung.“ Beschreibt Salvador Minuchin, das Ringen um ein Gleichgewicht, das wankt, sobald ein Teil einer Einheit, sich entwickeln möchte. Er benutzt das Bild einer Wippe, solange einer immer zuhause ist und diese Belange regelt und der anderen immer die äußeren Angelegenheiten (die finanziellen Angelegenheiten mit der Bank, zum Beispiel, regelt.) und alle bleiben auf ihrer Position und in ihrer Rolle, bewegt sich das System nicht. Will aber der, der Teil, der immer zuhause ist, auch die Bankangelegenheiten zu regeln lernen und bewegt sich hin zu dem bereits besetzen Punkt, entsteht Bewegung und ein Ungleichgewicht. Das System in dem Fall ein Paar, muss sich neu ausbalancieren. Ist beiden der Gewinn klar, dann wird das Gelingen.
Motivation und die Bereitschaft an sich zu arbeiten, sich zu entwickeln und dafür die Verantwortung zu übernehmen sind wichtige Voraussetzungen für einen gelungen Prozess eines Systems oder Teams.
Wichtig sind gegenseitige Wertschätzung, ein konstruktiver Umgang, statt eines destruktiven.
Möglicherweise eine Versachlichung bei einer hohen Emotionalität oder den umgekehrten Weg, wenn die Mitglieder zu sehr versachlicht und nicht in ihrer Menschlichkeit wahrgenommen werden.
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