Drei Geschichten

  1. Wasserschlacht.
    Eine dreiwöchige Kinderfreizeit in Österreich. Mittagspause der Betreuer und die Kinder sollten auf ihren Zimmern bleiben und sich auch ausruhen. Wie langweilig ist das denn? Die Kinder denken nicht daran. Mädchen gegen Jungs wird gespielt. Ein Mädchen wird von den Jungs „entführt“ und die Mädchen wollen das entführte Mädchen zurückholen… Es entsteht eine Wasserschlacht im ganzen Haus. Wie, das passiert ist, weiß keiner so richtig. Letztlich ist es nicht wichtig, wer gewinnt oder was war da noch mit einer Entführung? Egal, es macht Spaß! Mit Feuereifer werden Zahnputzbecher mit Wasser befüllt und nass gespritzt, wer sich nicht schnell genug duckt. Aber oh, Schreck, die Mittagspause nähert sich ihrem Ende. Jungs und Mädchen beraten, was zu tun ist, denn Ärger wollen sie nicht bekommen. Also, der Flur muss trocken werden. Nur wie. Idee! Jeder nimmt eins von seinen Handtüchern und sie wischen das Treppenhaus wieder trocken. Gut. Gesagt getan. Allerdings es reicht nicht. Was jetzt? Die Zeit drängt. Eines der Kinder entdeckt unter der Treppe den Toilettenpapier-Vorrat des Hauses. Idee! Wir rollen das Toilettenpapier ab. Einer steht am Anfang des Flurs einer am Ende und es geht hin und her mit der Rolle. Papier saugt und so wird der Flur Rolle für Rolle trocken. Die Kinder entsorgen das nasse Papier im Container hinter dem Haus. Geschafft! Mittagspause rum, Flur trocken. Spaß gehabt, Ärger vermieden. Hausbesitzer wunder sich, aber das ist eine andere Geschichte.
  2. Sich selbst waschen.
    Wenn wir bemerken in unserer Nähe riecht etwas oder jemand streng, sollten wir da nicht auch mal bei uns selbst schnuppern?
  3. Peter Pan
    Ich wollte schon immer bei den verloren Jungs von Peter Pan mitspielen.  Träumen, Abenteuer erleben, Freundschaft und Zusammenhalt. Was tun und das gemeinsam.

Und die Moral von den Geschichten?
Selbst etwas tun, Gemeinschaft erleben. Jeder gibt etwas zum Gelingen dazu. Ideen und gemeinsame Arbeit. Ein Ziel und alle machen mit. Jeder verantwortet, den Spaß und den Schaden zu beheben, indem alle überlegen und arbeiten.
Ich vermisse diese Form von Gesellschaft. Wo jeder wichtig ist, aber keiner sich zu wichtig nimmt. Wo nicht diskutiert wird, der hat aber und ich habe nicht und du hast….
Irgendwie hatten das die Kinder damals besser raus, wie Gemeinschaft geht. Wo sind sie hin?
Denn wir brauchen dringend wieder einen Sinn für Gemeinschaft!

Wege

Manchmal kommt mir das Leben vor, wie ein einziger langer Wanderweg. Als Kinder gehen wir einfach los. Wir sind mit dem Gehen und dem Lernen des Gehens beschäftigt. Wir fallen und stehen wieder auf, beginnen von vorne und starten einen neuen Versuch. Diese Fähigkeit, Dinge um ihrer selbst willen zu tun und es einfach immer wieder zu versuchen, geht ganz oft im Laufe des Lebens verloren.
Die Routine beginnt die Macht über uns zu ergreifen. Damit oft verbunden, die Angst vor dem Ungewissen, dem Schmerz, die Vermeidung des Schmerzes. Wir stehen auf, gehen los und sehen nicht mehr, was um uns herum ist. Wir haben den Blick für das, was am Wegrand wächst oder für die Aussicht, verloren. Es geht nicht mehr um das Gehen an und für sich und auch nicht um das Wahrnehmen von dem was uns umgibt, es zählt nur noch das Ankommen an das Etappenziel und manchmal sehen und fühlen wir nichts mehr, sondern tun einfach nur noch.
Manchmal stelle ich mir vor, ich gehe einfach los, genieße jeden bummeligen Schritt, schau rechts und schaue links und erlebe was um mich herum ist. Ich nehme meine Schritte wahr. Genieße die Kraft und die Fähigkeiten meines Körpers und dann wieder genieße ich die Aussicht. Mir wird klar, es gibt keinen Schritt zurück, nur den nächsten nach vorne. Nichts erleben wir zweimal. Nur unser Umgang, unsere Sichtweise, unsere Routine, lässt uns immer wieder das gleiche erleben. Unsere Fokussierung an für sich oder die Fokussierung auf unser Ziel lässt uns blind für das Leben und seine Möglichkeiten werden. Wir haben die Grenzen in uns nicht im außen. Die Wahrnehmung, das Tun, den Mut zur Begegnung, sich berühren lassen und die Liebe machen die Fülle eines Lebens aus und dazu müssen wir nur losgehen, kein Ziel erreichen.

Konzertbesuch

Neulich bin ich zu einem Konzert gegangen und stand in der langen Warteschlange vor dem Eingang. Da gingen zwei junge Männer an uns vorbei. Die beiden waren höchstens 25 Jahre jung. Einer von beiden deutete auf die Warteschlange und sagte zu seinem Begleiter: „Kuck mal, die gehen bestimmt zu einem Udo Jürgens Konzert!“
Ich fand das witzig aus zwei Gründen. Erstens Udo Jürgens war in der Generation meiner Eltern ein Star. Zweitens lebt Udo Jürgens nun auch schon eine ganze Weile nicht mehr. Bemerkenswert immer hin, der junge Mann kannte Udo Jürgens. Das mag für beide sprechen.
Im Unterton des jungen Mannes schwebt, Sympathie, Verwunderung, Belustigung oder vielleicht Bewunderung mit. Ich weiß es nicht genau, aber es war kein verächtlicher oder böser Unterton.
Tatsächlich hätte ich Udo Jürgens noch live erleben können, wie wahrscheinlich viele von den Menschen, die da in der Schlange standen. Ich musste lächeln, als ich diesen Satz hörte.
Wir sind schwer einzuschätzen, was unser Alter angeht. Wir haben uns, als wir jung waren, durch Ostermärsche, Friedensdemos und Biokampagnen gekämpft, haben eine Menge in unserem Leben getan, gehört und Spuren hinterlassen. Wir gehen auf Konzert, lieben Musik, Tanzen, lieben das Leben und die Menschen in unserem Leben. Und wir leben immer noch.


RIP

Heute ist ein wichtiger Teil von mir verstorben. Völlig erschöpft, entkräftet und verausgabt. Sie hat gekämpft, gelernt, reflektiert, sie hat verloren, ist wieder aufgestanden und hat es nochmal und nochmal und nochmal versucht, immer anders und doch gleich, jemanden zu finden, der sie liebt, der auf das, was sie sagt, sich wünscht was gibt, der findet sie sei wertvoll. Dazugehören wollte sie. Eine Freundin, einen Mann, eine Gruppe wollte sie finden. Für immer, dauerhaft. Dafür hat sie sich angestrengt. Es gab Highlights, es gab Schmerz, viel zu lernen, viel Weisheit und viel Mitgefühl. Beim letzten Versuch hat ihr Herz aufgehört zu schlagen, vor lauter Schmerz und Überanstrengung.
Ruhe in Frieden. Jetzt ist die Zeit des Abschieds gekommen. Ich habe verstanden, was du mich gelehrt hast, wieder und wieder. Die letzten Meter meines Lebens schaffe ich nun ohne Dich. Danke für alles. Ich habe gelernt, was du mich gelehrt hast, Selbstliebe. Heute beginnt etwas Neues.
Ich möchte noch meine Kinder grüßen, alle Kinder und ich weiß, sie schaffen es schon soviel besser als ich, sich selbst zu lieben. Denn niemand habe ich mehr geliebt als sie.

Gewahrsam sein

Girls and Boys Day

Gewahrsam sein, mein neues Lieblingswort und was es für mich bedeutet, soll diese Geschichte, die ich erlebt habe, verdeutlichen.
Ich fahre mit meinem Auto durch eine Kurve an einer Bäckerei vorbei. Dabei kann ich folgende Situation beobachten. Sie dauert nur Sekunden und berührt mich doch tief.

Ein kleiner, junger, proper Mensch mit einer papierneren Bäckermütze auf dem Kopf hilft einem Bäckermeister einen Mehlsack in das Auto eines Kunden zu legen. Dabei trägt er die Mütze, wie ein Rangabzeichen und kuckt mir, während ich im Auto an ihm vorbeifahre, stolz in die Augen.

Genau dachte ich, das ist es! Einfach etwas Nützliches tun, weil man das gerade kann und sich daran erfreuen und stolz darauf sein.
Es scheint nicht viel zu sein und doch ist es, wenn man es gerne tut, die ganze Welt. Ohne es zu bewerten, bleibt es das auch.
Wohl dem Menschen, der das kann und keinen ehrgeizigen Perfektionisten in seinem Kopf sitzen hat, der ihm einflüstern, es reicht nicht was du da tust oder es ist nicht gut genug oder es ist nicht wichtig, was du da tust.
Wo die Karriereleiter nicht zum Hamsterrad wird.
Weil es nie reicht, weil es immer besser geht und schlechter auch, wenn ich nach Bewertungen lebe.

Wohl dem Menschen, der sich, wie Frederik die Maus und sich entgegen allen Forderungen und Anforderung von innen wie außen, hinsetzt und Farben sammelt. Weil es das ist was er tun möchte, weil es das ist was er kann und weil es auch eine Fähigkeit sein könnte, die nützlich ist.

Das ist Gewahrsam sein für mich, wahrnehmen und im Einklang mit sich selbst, so wie es jetzt geht, mit allem Potential, tun, was jetzt ansteht. Wahrnehmen. Annehmen ohne Wertung und gestalten, was ist.
Dann wird die Welt größer, freier und ein Leben möglich.

20220820_122332

Afrika

Ein lange gehegter Traum ging in Erfüllung, meine Füße auf afrikanischen Boden zu setzen und ein kleines Stück, der Wiege der Menschheit, sehen und erfahren dürfen. Afrika! Genau genommen Kenia. Afrika ist riesen groß und vielfältig und selbst Kenia ist unglaublich groß und vielfältig. Groß das erste Wort, welches wirklich als erstes in den Kopf kommt. Alles ist groß und kraftvoll an Kenia. Es macht mich demütig, dankbar und nachdenklich.
Was lehrt ein solches Land, die Menschen, die dort leben?
Diese Land ist voll von Gegensetzen. Dort gibt es Gegensätze wie, abgrundtiefe Armut, atemberaubenden Reichtum. Das Land ist derart fruchtbar und gleichzeitig modert und verfällt alles unglaublich schnell. Das gilt für alles. Es ist als wenn die Fruchtbarkeit den Verfall bekämpft. Selbst die Reichen spüren den Verfall und müssen ihn oft hinnehmen. Leben und Tod liegen so nah beieinander. Es gibt keine Sicherheit, nur der stetige Wechsel von Leben und Sterben ist sicher.
Hier gibt es soviel Potenz, soviel Kreativität, soviel Lebensmut und -freude, soviel unglaubliche Kraft zum Leben, soviel Gleichmut und auch soviel Lethargie, soviel Liebe und soviel Aggression. Alles ist expressiv und explosiv, die Farben, die Natur und die Menschen und alles nur durch ganz dünne Grenzen voneinander getrennt, wenn überhaupt. Was also lernt man, von so einem Land? Ich versuche es mal mit den Worten der Einheimischen zu erklären, Hakuna Shida (Gelassenheit), Hakuna Matata (Gleichmut oder mach dir keine Sorgen) und Pole Pole (Mach langsam). Ich vermute, das lernt man. Und das sage ich mit Vorsicht und Respekt, weil ich bin nur ein Musungu, ein Weißer, der da nicht dazugehört. Musungs haben viel Leid gebracht hat und werden trotzdem oft viel besser behandelt wird, als sie sich untereinander behandeln.
Ich bin zu tiefst beeindruckt und es wird mein Leben verändern. Danke!

Buchempfehlung

Heute gibt es eine Buchempfehlung und eine Leseprobe!
Titel: Gespräche auf der Haut, Lyrische Texte von Helmut Ruge
Verlag A1, München ISBN 3-927743-05-4

Jetzt

Das Leben geht weiter
Der Mensch bleibt stehn
Vom entgangenen Leben
Kann er nicht mehr gehen
Die leergelaufenen Stunden
Schleppst Du mit Dir herum
Nur den Atem anhalten
bringt Dich um

Nicht die Falten vom Leben
Machen Dich alt
Die Mundwinkel sind es
Die zynisch und kalt
Dir zeigen
Was Du nicht gelebt

Schau in den Spiegel
Und lebe den Rest
Öffne das Siegel
Und geh auf das Fest

Und finde Dich ehr, als Du Dich suchst
Du suchst Dich schon viel zu lang
Und Finden ist Schöner als Suchen
Irgendein Wunschbild abbuchen
Du findest beim Suchen nur einen Spruch
Wer suchet, der findet
Nur, was er sucht
Vom Suchen da wird der Suchende blind
Der Finder bleibt neugierig wie ein Kind

Schau in den Spiegel
Und lebe den Rest
Öffne das Siegel
Und geh auf das Fest

Und lass die Schubläden zu
Die Scheren zum Träume-Abschneiden in Ruh
Begehre selbst
Begehre auf
Begehre den anderen
Und sage es ihm auch
Und setzt Dich nicht ab
Sonst setzt Du nur an
Steh endlich auf
Und nicht irgendwann

Schau in den Spiegel
Und lebe den Rest
Öffne das Siegel
Und geh auf das Fest

Schritte

Ich nehme die Schritte zu mir zurück
und verzeihe mir.
Ich verzeihe mir, dass ich nur so Handel,
denken und sein kann,
wie es mir entspricht, obwohl ich mich
nach Verbesserung sehne.

Es tut mir leid, es geht nur mit mir, wie
ich kann und in dem Tempo, wie ich lernen,
erkennen und umsetzen kann.

Ich gehe auf dem Boden meiner Ahnen und
der Boden ist gut bereitet, um weiter zu lernen.
So gehe ich weiter und bin verbesserlich und
bereite den Boden für die nächste Generation.


Ich bin nie alleine, sondern im All-eins-sein und
übe mich das Spiel gut zu spielen.